Das Video, welches mir Anlass dazu gab mich mit Kony 2012 intensiver zu beschäftigen, macht sich gerade in windeseile über Facebook, Twitter & Co. breit. Als politisch interessierter Mensch kam ich natürlich nicht drum herum mir das knapp 30 minütige Video anzusehen. Eins vorab: Das Video kann sich wirklich mit einer exzellenten Regie- und Schnitttechnik rühmen!
Das Video beginnt, ganz hollywood typisch, sehr dramatisch. Dem Zuschauer wird die Geschichte eines Jungen aus Uganda, dem der Regisseur ebenda begegnete, erzählt. Der Junge, Jacob ist sein Name, berichtet in dem Video davon, wie sein Bruder von der Lord's Resistance Army (kurz: LRA) mitten in der Nacht überfallen und ermordet wurde. Daraufhin beschließt der Regisseur, der selbst einen Sohn hat, sich der Sache anzunehmen und eine Kampagne zu starten. Im Laufe des Filmes wird dem Zuschauer präsentiert, wie die Organisation, die sich „invisible children“ nennt, wächst und wächst und allmählich auch Erfolge, vornehmlich in den Vereinigten Staaten auf politischer Ebene, verbuchen kann. Schlussendlich erreicht die non-profit Organisation, dass amerikanische Truppen nach Uganda geschickt werden, um mit Waffengewalt die LRA zu zerschlagen. Doch als Folge des Eingreifens der Amerikaner taucht Joseph Kony, der Anführer der LRA, ab und ist unauffindbar. Nun wird dem Zuschauer die Strategie präsentiert, mit der ein Jeder dazu beitragen könne, Joseph Kony dingfest zu machen: „Make him famous!“ zu deutsch: Macht ihn berühmt!
Wenn jeder Mensch das Bild von Kony kenne, dann würde es für ihn unmöglich sein sich weiterhin zu verstecken.
Erst spät wurde mir bewusst, dass hinter der absolut unterstützenswerten Sache, Joseph Kony, einen Verbrecher, unschädlich zu machen, eine nicht ganz so unterstützenswerte Strategie liegt, die den meisten Zuschauern, von Emotionen geschüttelt, wohl nicht ganz bewusst werden mag. Was mich an der Organisation, zunächst einmal, objektiv stört, ist, dass sie es unterstützt amerikanisches Militär nach Uganda zu schicken um dort „aufzuräumen“. Das gesamte Video kontrastiert meiner Meinung nach zu stark zwischen „gut“ und „böse“, zwischen dem „zivilisiertem, weißen Westen“ und dem „armen, schwarzen Afrika“. Dem Zuschauer wird vermittelt, dass sich die Afrikaner niemals selbst aus dieser Misere befreien können und es westlicher, respektive amerikanischer, Hilfe bedarf, um den Menschen in Afrika zu helfen. Dort, in diesem Video, durch die gesamte Kampagne wird genau das gerechtfertigt, was die meisten westlichen Länder schon lange tun: Krieg führen unter dem Deckmantel der Humanität. Doch würden sich einige Leute mal in der Welt umschauen, mal dorthin blicken, wo ihre „Weltpolizei“ schon länger tätig ist, in Afghanistan, im Irak, dann würde Ihnen hoffentlich bewusst werden, dass es dort keinen Frieden gibt. Die im Video geforderte „Army of Peace“ wird genau das erreichen, was die ganzen anderen Einsätze der Amerikaner vorher auch erreicht haben: Krieg, Leid, Tod.
Die Leute werden nicht dazu angehalten nachzudenken, von ihnen wird lediglich bloßer Hass gefordert, es wird in perfider Weise mit Emotionen gespielt und nur wenige kommen dazu nach dem Video ein wenig weiter zu recherchieren und herauszufinden, dass „Kony 2012“ auch von anderen non-profit Organisationen bereits mehrfach kritisiert worden ist, vor allem bezüglich des Umgangs mit den Spendengeldern, wovon nur zirka 30 Prozent in humanitäre Hilfe in Uganda fließen, der Rest wird genau dafür ausgegeben, was wir gerade erlebt haben: Aufwändige Werbevideos.
Ich finde es schade und gefährlich, dass der gute Wille der Leute, etwas in der Welt zu verändern, derart benutzt wird, um eigene Interessen durchzusetzen. Ich bin absolut davon überzeugt, dass es Protest gegen jede Form von Ungerechtigkeit geben muss, aber genau diese Einstellung, die auch viele, viele andere Menschen teilen, wird viel zu oft dafür benutzt, um an ihr Geld zu kommen und andere Ziele zu verfolgen, die mit Frieden und Gerechtigkeit in der Welt, wenig zu tun haben.